Unterdarching: Wo der Glaube Kraft gibt

Die Pfarrkirche St. Johannes ist voller Menschen, links die Männer, rechts die Frauen, auf der oberen Empore der Kirchenchor. Überall ist die Tracht zu sehen, die die Menschen hier in Unterdarching seit Jahrhunderten tragen.

 

Die Liturgie beginnt: Der Kirchenchor singt eine lateinische Messe, Weihrauchschwaden, Gebete, Schriftlesung, Predigt, Gesang, Kommunion – alles geht seinen vertrauten Gang.

 

Es ist Fronleichnam: Vierzehn Fahnenabordnungen stellen sich auf, Feuerwehren, Trachtenverein, die Burschen des Dorfs; der „Himmel“ über Monstranz und Priester, getragen von denen, deren Väter und Großväter bereits tragen durften. In sommerlicher Hitze geht es durch den Ort, am Straßenrand schaut keiner zu – wie auch, denn die Menschen gehen, beten, singen ja mit, werden an jedem der vier Altäre wieder gesegnet.

 

Eine Welt für sich? Über den jungen Mann aus Miesbach, der da mitten in einer Kirchenbank sitzt, wird leise gerätselt. Wie kommt jetzt einer aus der Kreisstadt zu uns nach Unterdarching… Mancher Bursch wird Konkurrenz, manche junge Dame eine Chance erwarten, aber der Ring am Finger hält dann doch von weiteren Befürchtungen und Plänen ab.

 

„Das haben wir immer schon so gemacht“

Wer hier gar nicht dazu gehört, wem diese Traditionen fremd, die Kirche als Organisation veraltet, die Dorfgemeinschaft verschlossen scheint, der wird hier nicht einfach Heimat finden. Einem Anderen wird aufgehen, wie stark dieser Tag ist: Menschen einiger Generationen erfüllen gemeinsam das „Das haben wir immer schon so gemacht“ mit ihrem Leben. Sie lassen sich tragen von dem, was schon die Menschen vor Jahrhunderten hier trug: gelebter, selbstverständlicher, fester Glaube.

 

Im Bräustüberl kommen sie wieder zusammen: Die Feuerwehrler voller Vorfreude auf das erste Bier, die Damen im Schalk, die Kinder in Lederhose und Dirndl, mitten drin: die Blasmusik. „Ein Prosit der Gemütlichkeit!“ Geübte Musikerohren hören, dass da nicht irgendeine Blasmusik spielt, sondern eine junge Truppe, studierte Musiker in ihren Reihen, die Freude daran haben, das Dorf zu unterhalten. Es wird viel gelacht, vielleicht auch über manche Eigenarten des Priesters, der doch so gerne mitten drin und dabei ist – „bei uns“. „Du, Herr Pfarrer“, sagen die einen, die anderen wählen lächelnd mit „Hochwürden“ den Titel, der nicht in diese Zeit, aber durchaus an diesen Ort zu passen scheint.

 

Der Ort feiert miteinander

Ein Gewitter ist angekündigt – typisch ist das für Fronleichnam, aber „typisch“ sagt man hier nicht, sondern: „So g´hört si des“. Die Frauen gehen mit den Kindern nach Hause, auf manchen Ehemann werden sie daheim noch länger warten müssen – das Bier ist gut, die Musik noch besser. „Auf der Vogelwiese“ wird wieder einmal gesungen, „vom Franz“, der „viel zu viel“ trinkt.

 

Unterdarching, 2017: Fronleichnam feiert hier nicht die Pfarrei für sich, sondern der Ort miteinander.

Einen Tag später trifft sich eine Familie im Kreiskrankenhaus wieder, ein Leben ist in Gefahr: Aufgeregt werden medizinische Diagnosen und Prognosen ausgetauscht, da fällt der Satz: „Aber schee war‘s gestern bei uns.“ Das gibt Kraft.