Zu Besuch im Liebesnest der Königin

Kloaschauer Tal – Sonnenstrahlen sind in diesen Tagen nahezu eine Rarität. Doch sobald es nicht regnet, fliegen die Honigbienen aus und besetzen sämtliche Blüten im Oberland. Johannes* aus Fischbachau imkert und züchtet seit 2007 die wichtigste aller Bienen: die Königin.

 

 

Die Wolken am hellblauen Himmel über dem Sudelfeld scheinen sich übereinander zu stapeln, bevor sie Richtung Österreich drängen. Die Wiesen und Felder, ja sogar Verkehrsinseln, blühen derzeit kunterbunt. Lila, gelb, weiß, blau, rot. Ihren Duft verströmen die Pflanzen an diesen schönen Tagen weithin – zum Leidwesen aller Allergiker. Doch für die Bienen sind sie unverzichtbar: Aus ihrem Nektar wird später einmal Honig werden.

 

 

Ich treffe Johannes vor dem Gasthof Zipflwirt, der derzeit renoviert wird. Der Mittvierziger –  schwarz-graue Haare, sportliche Kleidung – verkauft seinen Honig über die Vermarktungsgesellschaft „Unser Land“. Ich steige in sein Auto und wir fahren durch die überwältigend farbenfrohen Wiesen des Kloaschauer Tals. Kälber versperren uns zunächst den Weg zur Belegstelle des Imkervereins Miesbach unterhalb des Sonnwendjochs.

 

 

Belegstelle nennen Imker den Platz, an dem sie ihre nachgezüchteten Bienenköniginnen von Drohnen, also männlichen Bienen, der selben Rasse begatten lassen. In unseren Breiten ist die Rasse „Carnica“ äußerst beliebt. Im Schutz der Berge rund um das Kloaschauer Tal sollen reinrassige Carnica-Bienen nachgezüchtet werden.

 

Die Kälber lassen uns schließlich durch. Nach einigen Minuten holpriger Fahrt über verschlungene Forstwege summt es um meinen Kopf. Ein lautes Brummen mitten im Wald liegt in der Luft und lässt keinen Zweifel zu: Hier ist das Liebesnest, in dem jährlich über 900 Bienenköniginnen begattet werden.

 

 

„Wie kommt man dazu, Bienenköniginnen zu züchten?“, frage ich Johannes gleich am Anfang. „Ich hab mich mein Leben lang schon für Natur interessiert“, erklärt er. Der Imker, bei dem er das Handwerk erlernt hat, habe ihm gesagt, jeder Bienenzüchter müsse auch selbst Königinnen an der Belegstelle nachziehen. Damals wusste Johannes noch nicht, dass man Bienenköniginnen sogar online bestellen kann.

 

 

Eigentlich sind seine Bienen brav. Doch kaum sind wir aus dem Auto ausgestiegen, attackiert mich die erste, sticht aber nicht zu. Ich setze einen Schleier auf. Und Johannes tut es mir kurze Zeit später gleich. Er sagt: „Ich schaue meine Bienenvölker gerne mittags durch. Da sind die älteren Damen unterwegs und die jungen sind nicht so aggressiv. Aber heute sind sie irgendwie ungut.“

 

 

Je älter eine Biene in ihrem etwa sechswöchigen Leben wird, desto weiter entfernt sie sich vom Brutnest. Junge Bienen sind also erst einmal für die Brutpflege und die Versorgung der Königin zuständig, bevor sie dann, in den letzten Wochen ihres Lebens, zum Sammeln ausfliegt. Vor Drohnen brauchen wir keine Angst haben, die besitzen nämlich keinen Stachel.

 

 

Johannes zündet in seinem Smoker, einem Rauchgerät, Kräuter und Papier an. Damit imitiert er einen Waldbrand. Die Bienen bleiben dann ruhiger auf den Waben sitzen und sind mit Honigsaugen beschäftigt. Den würden sie im Ernstfall nämlich mitnehmen.

 

 

An der Belegstelle stehen Begattungskästchen, also schuhschachtelgroße Bienenkästchen, von rund 50 Imkern. Dazu kommen Bienenvölker mit extra vielen Drohnen. So soll die Begattung der Königinnen optimal klappen. Zunächst schauen wir die Drohnenvölker an. Laut brummt es aus den Holzkästen. Die niedrigere Frequenz des Flügelschlages und das größere Gewicht der männlichen Drohnen lassen sie dunkler brummen als die weiblichen Arbeiterinnen, die bereits einiges an Honig gesammelt haben.

 

 

Johannes fährt mit seinem Finger in die Wachswaben, in denen eine goldene Flüssigkeit glänzt: Honig. „Mh, da ist sogar Waldhonig dabei“, schwärt der Imker. Nach einigen Minuten verschließen wir die Holzkästen und marschieren zu den kleinen Begattungskästchen, die im ganzen Wald verteilt sind. Wir überprüfen, ob die Königin drin ist. Dank ihrer weißen Markierung und ihres länglichen Körperbaus finden wir sie sofort.

 

 

Doch bevor sie so weit ist, dass sie Eier legen kann, muss der Imker einige Dinge erledigen. Johannes erzählt: Aus herkömmlichen Brutwaben der Mutter der zukünftigen Königin entnimmt er Anfang Mai mit einem spitzen, feinen Löffel die Eier und gibt sie in vorgefertigte Königinnenzellen. Die haben einen größeren Durchmesser und werden in ein anderes Volk gehängt. Bei der Auswahl der Zuchtkönigin achtet er vor allem auf deren Sanftmut.

 

 

Zur Königin wird das Ei durch das Gelee Royale, einem speziellen Futtersekret, das die Bienen selbst herstellen. Nach etwa zwei Wochen schlüpft die neue Königin und wird zur Belegstelle gebracht, wo sie schließlich begattet wird. Diesmal scheint alles geklappt zu haben. Die vier Königinnen, die wir heute mitnehmen, haben schon begonnen, im Begattungskästchen Eier zu legen.

 

 

Wir verlassen das große Gesummse zurück Richtung Zipflwirt. „Als Imker bekommt man einen ganz anderen Blick auf die Natur“, sagt Johannes. Dabei ist die Imkerei kein Hobby, das man nebenher einfach machen kann. „Man muss sich seiner Verantwortung schon bewusst sein.“

 

 

Und warum nimmt man diese Verantwortung auf sich, löffelt Eier von einer Wabe in die andere und fährt durch den halben Landkreis zur Belegstelle? Johannes grinst verschmitzt: „Es gibt nichts besseres als eine Semmel mit gutem Honig!“

 

 

* Der Imker, den ich besucht habe, möchte seinen Namen lieber nicht online lesen. Deswegen habe ich diesen geändert.

 


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